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Uwe Alfer
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Punkt Cicero 12/1991 Schreiben wie gedruckt? Seite 1

Ein Plädoyer für die Schreibmaschinenschrift.

Um ihr das Entziffern meiner grausigen Handschrift zu ersparen, schrieb ich meiner Mutter kürzlich einen Brief auf dem Computer. Die Reaktion ihrerseits war blankes Entsetzen angesichts dieser Art von unpersönlichem Schreiben: Ich fände wohl nicht einmal mehr die Zeit, ihr einen handschriftlichen Brief zu schreiben.

Wie man sieht, ist die äußere Form eines Briefes manchmal wichtiger als ihr Inhalt. Nicht nur im privaten Bereich, sondern gerade bei Geschäftsbriefen hat die Wahl der Korrespondenzschrift eine enorme Bedeutung. Daß die Verwendung einer Schreibmaschine mit verschmutzten Typen und ungleichmäßigen Anschlägen den gleichen Eindruck hinterläßt, als ginge man in Shorts und T-Shirt zu einer geschäftlichen Besprechung, dürfte wohl weithin bekannt sein. Den meisten Computerbriefschreibern ist aber nicht klar, daß auch der teuerste Laserdrucker mit dem saubersten Schiriftbild nicht automatisch die gewünschte Anmutung garantiert.

Der Brief stellt ein persönliches Anschreiben dar. So soll selbst der Empfänger einer Massendrucksache den Eindruck bekommen, als habe der Absender ihm eigenhändig geschrieben. Dementsprechend bieten die meisten Textprogramme Serienbrieffunktionen, die die automatische Erzeugung einer persönlichen Anrede erlauben. Benutzt man aber im Brief eine Satzschrift, am Ende gar eine fette Helvetica, so schwindet der gewünschte Effekt dahin. Genauso sieht nämlich eine Massendrucksache aus! Der Einzelbrief wird nicht gesetzt, sondern auf der Maschine geschrieben. Der Schreibmaschinenbrief mit eigenhändiger Unterschrift (in Fültfederhalter-Blau!) hat sich in der Flut der Drucksachen als durchaus persönliches Anschreiben etabliert.

Betrachtet man allerdings das Schriftangebot für Textprogramme, muß leider festgestellt werden, daß die Anbieter mehr Wert darauf legen, Satzschriften zu imitieren, als saubere Schreibmaschinenschriften zu entwerfen. Für Typenradmaschinen gibt es dagegen eine Fülle gut lesbarer und individueller Schriften, die alle eines gemeinsam haben: sie sehen aus wie Maschinenschrift.

Nicht nur für den Briefschreiber ist dieses Thema von Belang. Auch und gerade der DTP-Designer, der eine Geschäftsausstattung gestaltet, sollte sich über die Art der Briefbeschriftung Gedanken machen. Einem gut funktionierenden Briefbogen müssen Schriftgröße, Anschläge pro Zeile, Textmenge pro Seite, Zeilenabstände und Tabulatoren als Grundraster zugrunde liegen. Die Gestaltung der Beschriftung hat einen ebenso großen Einfluß auf den Gesamteindruck wie die Wahl der Satztype und das Firmenlogo.

Das Gesamtbild soll Harmonie ausstrahlen, wobei sich der geschriebene Text deutlich vom gedruckten absetzt. Auch die Maschinentype spiegelt den persönlichen Charakter des Unternehmens wider. In eine Konzeption des Briefbogens sollte daher die Beratung über den Einsatz bestimmter Schreibmaschinen, Drucker und Schriften einfließen, damit das mühsam designte Erscheinungsbild nicht durch unbesonnenes Beschriften zerstört wird.

Gezielt im DTP-Satz verwendet kann Schreibmaschinenschrift durch ihr quasi persönliches Image Wirkungen hervorrufen, die mit Satzschriften nicht erreichbar sind. Leider ist das für Calamus erhältliche Arsenal an Maschinenschriften auf die American Typewriter beschränkt. Diese vermittelt zwar einen arttypischen, jedoch leicht antiquierten Eindruck. Vor einem Jahr erschien bei lTC die Officina-Familie von Eric Spiekermann. Diese leider noch nicht bei DMC erhältlichen Schriften sind exakt auf den hier besprochenen Einsatz als gut lesbare Büroschrift zugeschnitten. Sie sollen die Lücke zwischen Schreibmaschinenschriften und den Satzschriften ausfüllen. Durch ihr klares, ausgeglichenes Schriftbild genügen sie allen Ansprüchen, die an eine Satzschrift gestellt werden. Sie erzeugen aber durch typische Charakteristika, z. B. durch etwas verstärkte Interpunktionszeichen und den nach rechts gebogenen Fuß des kleinen l die Assoziation zu Maschinegeschriebenem.

Bei der derzeitigen Lage der Dinge werde ich meinen Typenraddrucker doch noch ein wenig behalten und meiner Mutter nur noch per Hand schreiben. Auch wenn's schwerfällt!

Nachwort, 10 Jahre später:
Die ITC-Officina ist inzwischen problemlos erhältlich, sie liegt sogar mancher DTP-Software bei. Ich schreibe seit Jahren alle Briefe mit der Sans Book Variante.